Lu
Theo erwachte schweißgebadet und mit hämmerndem Herzen. Er
hatte schlecht geträumt. Noch jetzt sah er die Bilder von heranrasenden
U-bahnlichtern, übergroßen Ratten und dunklen Tunneln vor seinem inneren Auge.
Sein kleines Händchen tastete nach dem Teddy, der immer neben ihm schlief. Doch
da war nichts außer dem blanken Bettbezug. Eine Träne rann ihm über die Wange.
Dann war das alles also wirklich passiert. Er hatte Lu gestern nach dem Ausflug
in den Zoo irgendwo auf dem Weg nach Hause verloren. Wahrscheinlich in der
U-Bahn. Und wenn das stimmte, vielleicht waren dann auch seine Träum wahr und
Lu kämpfte nun in irgendeinem stockdunklen, menschenverlassenen Tunnel gegen
böse Ratten um sein Leben. Oder er war schon längst von einem Jugendlichen
angezündet und in den Müll geschmissen, oder von einer Bahn überrollt worden.
Der Tag gestern hatte so schön angefangen. Theo, Lu und
Theos Eltern waren im Zoo und hatten jede Menge Tiere gesehen. Lu wusste von
den meisten Tieren, wie sie genannt wurden. In dem Spielwarenladen aus welchem
er kam, hatte er zwischen jeder Menge Pinguine, Löwen, Eulen, Pferden und
Elefanten auf seine Familie gewartet. Es war spannend für ihn zu sehen, wie die
Tiere, denen sie nachempfunden waren in Wirklichkeit aussahen. Der Tag war
sonnig, Theo hatte zum Mittagessen Pommes mit Ketchup bekommen und am
Nachmittag noch ein Eis. Sogar von der Cola seines Papas durfte er mal
probieren. Lu war zufrieden, dass sein kleiner Schützling so einen tollen Tag
hatte.
Doch dann in der U-Bahn war es geschehen. Lu saß in der
kleinen Außentasche von Theos Rucksack. Er mochte den Platz, da er von hier
einen guten Blick über die Umgebung hatte. Theo und seine Eltern setzten ihn
immer so hinein, dass er noch heraus schauen konnte und dabei vom
Reißverschluss festgehalten wurde. Doch er merkte schon an der zweiten Station,
dass der Reißverschluss dieses Mal nicht so fest saß wie sonst und sie hatten
noch einige Stationen vor sich. Theo war noch ganz aufgedreht von dem Tag im
Zoo und sprang in der fast leeren U-bahn zwischen den Sitzen und Stangen hin
und her. Mal trötete und stampfte er wie ein Elefant, dann schlich er wieder
wie ein Tiger auf Samtpfoten. Der Reißverschluss löste sich immer mehr. Dann,
bei der fünften Station, an der sie aussteigen mussten, geschah es. Theo war
noch ganz in sein Spiel vertieft, als seine Mutter ihn an der Hand nahm und in
Richtung Ausgang zog. Theo rannte nebenher und streifte dabei mit seinem
Rucksack eine der Haltestangen. Lu bekam einen heftigen Stoß gegen seine rechte
Seite, merkte wie der Reißverschluss sich auf der einen Seite nun endgültig
löste und er den Halt verlor. Dann fiel er. Der Aufprall war hart, er
überschlug sich noch einige Male und blieb dann benommen liegen.
Glücklicherweise haben Teddys keine Knochen, so dass er sich bei einem Sturz
wie diesem nicht wirklich verletzen konnte. Vorsichtig, damit niemand etwas
bemerkte, blickte er sich um. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich direkt
neben ihm die Schiebetüre zur Bahn schloss. Er war also auf dem Bahnsteig
gelandet. Ohne sich zu bewegen versuchte er, die Umgebung genauer zu
betrachten. Am Ende des Bahnsteiges sah er Theo und seine Eltern, wie sie auf
der Rolltreppe die U-Bahnstation verließen.
Lu spürte einen Kloß im Hals. Könnten Teddys weinen, dann
würden ihm nun wahrscheinlich Tränen in die Augen steigen. Stattdessen merkte
er, wie sich sein Fell vor Angst aufstellte.
Das hätte ihm niemals passieren dürfen. Was sollte Theo nun ohne ihn
machen? Er war doch immerhin der erste Teddy in seinem Kinderzimmer. Und gerade
als erster Teddy hätte er besonders aufpassen müssen, dass er nicht verloren
geht. Hätte er doch versuchen sollen, sich festzuhalten? Hätte er irgendein
Geräusch von sich geben sollen, um auf sich aufmerksam zu machen? Sich in der
Gegenward von Menschen zu bewegen war eigentlich strengstens verboten. Aber in
einem solchen Ausnahmefall, hätte er doch eine Ausnahme machen können! Der
erste Teddy war das ranghöchste Kuscheltier in einem Kinderzimmer. Dabei musste
er nicht das Kuscheltier sein, das als erstes für das Kind gekauft wurde. Es
musste auch nicht als erstes im Kinderzimmer sein. Der erste Teddy war das
Kuscheltier, das dem Säugling als erstes von einer sehr nahestehenden Person
überreicht wurde. Das geschah meistens bereits kurz nach der Geburt im Krankenhaus.
Dabei musste es sich nicht einmal um einen Teddy handeln. Es konnte genauso gut
ein Hase, eine Ente oder ein Kamel sein. Nur zur Gattung der Kuscheltiere
musste es gehören. Die Bindung zwischen Teddy und Kind hielt dann oftmals ein
Leben lang. Lu wurde Theo bereits eine Stunde nach der Geburt von seinem Vater
gegeben und Theo hatte mit seinen kleinen Fingern sofort eines der
Plüschärmchen umklammert. Er war ein
brauner Teddy mit schwarzen, glänzenden Augen. Seine Ohren, sowie die
Innenflächen seiner Pfoten waren etwas dunkler als der Rest. Die Schnauze war
mit einem ebenso dunkelbraunen Faden aufgenäht.
Als sich der Bahnsteig
geleert hatte, hob Lu vorsichtig seinen Kopf und blickte sich um. Zwei
Kameras waren hier installiert. Eine hing fast direkt über ihm, zeigte aber den
Bahnsteig entlang, so dass er von ihr nicht mehr erfasst wurde. Eine zweite
hing weit weg am anderen Ende des Bahnsteiges. Vermutlich war er auf dem Bild
dieser Kamera nicht mehr zu erkennen. Langsam ließ er den Kopf wieder sinken.
Was sollte er nun tun? Abwarten, ob jemand ihn fand und irgendwo hin brachte? Nein,
die Gefahr, von irgendeiner Reinigungskraft gefunden und in den Müll
geschmissen zu werden war zu hoch. Solche Geschichten hatte er schon zu viele
gehört. Die große Anzeigetafel, die in der Mitte des Bahnsteiges hing, zeigte
an, dass die nächste Bahn erst in etwa einer Stunde ankam. Vorerst war also
nicht mit Menschen zu rechnen. Vorsichtig setzte er sich auf. Es war absolut
still, bis auf das Geräusch des Windes, der sich in den unterirdischen Tunneln
verirrte. Ab und zu wurden die Klänge eines Saxophons in den U-bahnschacht
geweht. Irgendwo weiter oben musste ein Straßenkünstler sein Glück versuchen.
Lu stand auf und ging in Richtung Gleisbett. Zur Rolltreppe konnte er nicht.
Zumindest nicht über den Bahnsteig, dort würden die Kameras ihn erfassen. Er
musste also einen anderen Weg finden. An der Kante blieb er stehen und blickte
in den Abgrund. Die Gleise lagen ungefähr einen Meter unter ihm. Einen Sprung
aus dieser Höhe hätte er vermutlich problemlos überstanden, aber es bestand die
Gefahr, mit der Stromschiene in Kontakt zu geraten und was das für ihn als
Teddy für Folgen haben könnte, konnte er nicht abschätzen. Plötzlich hörte er
hinter sich ein Rascheln. Er drehte sich um, sah aber nichts außer dem
verlassenen Bahnsteig. Vermutlich kam das Geräusch von einer der Papiertüten,
die sich an den Beinen der Sitzbänke verfangen hatte. Doch, da war es wieder.
Ein leises, kratzendes, scharrendes Geräusch. Erneut ließ er seinen Blick über
den Bahnsteig schweifen, konnte jedoch nichts erkennen. Ein paar Plastiktüten
flatterten im Wind und eine leere Coladose rollte immer wieder wenige
Zentimeter hin und her. Dann sah er plötzlich aus dem Augenwinkel einen
Schatten, der rasend schnell auf ihn zu kam. Lu hatte keine Zeit um zu
reagieren. Gerade als er sich umdrehen wollte, wurde er von dem dunklen Etwas
mit voller Wucht gerammt. Spitze Zähne gruben sich in seine Schulter. Er verlor
den Boden unter den Füßen und zum zweiten Mal an diesem Tag fiel er.
Der Aufprall auf dem steinigen Gleisbett war härter als
erwartet. Das Gewicht der fetten Ratte, die sich auf ihn gestürzt hatte,
drückte ihn mit unglaublicher Wucht auf den Boden. Er lag auf dem Boden und die
Ratte hatte ihn immer noch mit ihren Zähnen an der Schulter gepackt und ihre
linke Vorderpfote hatte sich um seinen rechten Arm gekrallt. Mit der Linken
Pfote tastete er seine Umgebung ab und fand schließlich einen Stein, der klein
genug war, dass er ihn mit seiner Plüschpfote umfassen konnte. So gut er
konnte, holte er aus und ließ den Stein direkt auf den Schädel der Ratte
niedersausen. Sofort spürte er, wie sich der Biss an seiner Schulter lockerte.
Die Ratte blickte benommen auf. Lu erkannte seine Chance und stieß sie von sich.
Sie taumelte einige Schritte zur Seite und Lu sprang auf die Füße. Etwas
schwankend kam er zum stehen. Die Wunde in seiner Schulter schmerzte. Aber sein
Arm war noch dran und er konnte ihn bewegen. Doch er hatte keine Zeit um
durchzuatmen. Kaum war er auf den Beinen, schüttelte sich die Ratte und wandte
sich erneut ihrem Opfer zu. Lu wich einige Schritte zurück, doch die Ratte
folgte ihm und beobachtete ihn lauernd. Dann plötzlich, hörte er hinter sich
ebenfalls ein Scharren, wie von kleinen krallen auf Gestein. Er drehte sich ein
Stück zur Seite, so dass er die Ratte noch im Blick hatte, aber auch sah, was
hinter ihm vor sich ging. Auf der Schiene erblickte er ein weiteres Ungetüm,
das ihn mit seinen kleinen, schwarzen Augen beobachtete. Es war eine weitere
riesige Ratte. Eines ihrer Ohren war eingerissen und quer durch das linke Auge
verlief eine Narbe. Auch sie schien in Lauerstellung. Vorsichtig wich Lu erneut
einige Schritte vor beiden Ratten zurück. Doch weit konnte er nun nicht mehr,
ohne zu nah an die Stromschiene zu gelangen. Die Ratte rechts von ihm, welche
ihn vom Bahnsteig gestoßen hatte, begann nun mit den Pfoten zu stampfen und
machte einen Buckel, wobei sich ihre Haare sträubten. Lu hatte keine Ahnung von
der Körpersprache einer Ratte, aber er war sich sicher, dass diese in den
nächsten Sekunden einen neuen Angriff starten würde. Auch die Ratte links von
ihm machte den Eindruck, als würde sie sich gleich auf ihn stürzen.
Dann ging alles ganz schnell. Beide preschten plötzlich,
ohne weitere Vorahnung auf ihn los. Er sah sie auf sich zu rasen, schloss die
Augen und rechnete damit, im nächsten Moment unter den Rattenleibern begraben
zu werden. Doch stattdessen bekam er einen heftigen Stoß in den Rücken, er
stürzte zu Boden und dann, nichts mehr. Keine Rattenleiber, die auf ihm
landeten und ihre Zähne in seinen Körper stießen. Stattdessen Gekreische und
dumpfe Schläge hinter ihm. Mühsam stemmte er sich hoch und blickte sich um. Die
beiden Ratten kämpften. Aber nicht gegeneinander, zwischen ihnen stand ein
Teddybär, oder etwas in der Art. In der einen Hand hielt er einen Stock, in der
anderen etwas, das aussah wie ein Schwert aber ohne einen richtigen Griff. Mit
beidem schlug er auf die Ratten ein. Doch kaum hatte er die eine Ratte mit dem
Schwert an einer ihrer Vorderpfoten erwischt, kassierte er selbst einen Schlag
auf den Kopf von der zweiten Ratte. Er wirbelte herum und ließ das Schwert auf
sie niedersausen. Die Ratte gab ein erschrockenes Quieken von sich, zuckte
zurück und begann sich die blutende Wunde zu lecken, die das Schwert
hinterlassen hatte. Das gab ihm genug Zeit, sich wiederum der anderen Ratte
zuzuwenden. Beide lieferten sich einen erbitterten Schlagabtausch, doch
schließlich ließ auch sie von ihm ab. Beide Ratten saßen nun für einen Augenblick
zögernd da, als wären sie unschlüssig, was zu tun wäre. Dann stoben sie in
entgegengesetzter Richtung davon.
Diesen Monat dabei:
Ende nächsten Monats ist Halloween, das Fest der Masken,
Geister und Vampire. Und natürlich der Kürbisköpfe. Da muss auf jeden Fall ein
passender Schreibkick her. Ob euer Geschriebenes dann gruselig, passend zu
Halloween wird, oder doch was ganz anderes, bleibt natürlich wie immer euch
überlassen J
Das Thema für den 1.11.14 (Oder passender, den 31.10.14)
lautet: Die Kürbismaus (wer es gerne gruseliger mag, kann auch eine Kürbisratte
daraus machen :D )
Du willst mitmachen?
Wir suchen natürlich wie immer noch Leute, die gerne mitschreiben möchten. Wenn ihr Lust habt, an den Schreibkicks teil zu nehmen, schreibt einfach euren Text und postet ihn auf eurem Blog. Dann postet ihr den Link zu eurem Blog einfach in den Kommentaren zum Schreibkick. Ich verlinke euch dann unter meinem Text, so dass jeder den es interessiert auch weiß, dass ihr dabei seid.
Hier ist nochmal der ursprüngliche Post zum Schreibkick: http://sabi-writing-whatever.blogspot.co.at/2013/11/schreibkick-1.html
Du willst mitmachen?
Wir suchen natürlich wie immer noch Leute, die gerne mitschreiben möchten. Wenn ihr Lust habt, an den Schreibkicks teil zu nehmen, schreibt einfach euren Text und postet ihn auf eurem Blog. Dann postet ihr den Link zu eurem Blog einfach in den Kommentaren zum Schreibkick. Ich verlinke euch dann unter meinem Text, so dass jeder den es interessiert auch weiß, dass ihr dabei seid.
Hier ist nochmal der ursprüngliche Post zum Schreibkick: http://sabi-writing-whatever.blogspot.co.at/2013/11/schreibkick-1.html
hallo du liebe!
AntwortenLöschenwow da hast du aber eine richtig gute geschichte geschrieben! freue mich schon auf den zweiten teil und somit auf das ende der geschichte. da fiebert man ja richtig mit dem kleinen lu mit und hofft, dass er doch wieder irgendwie zurück zu theo kommt.
der kleine lu muss ja einiges mit machen, das wünscht man keinem teddy.
das neue thema ist ja auch super :) wünsch dir viel spaß beim schreiben und allen anderen die mit machen auch.
alles liebe schreibfee
Hey liebste Schreibfee,
AntwortenLöschenvielen Dank! Das Schreiben macht bei der Geschichte auch wirklich richtig Spaß! Freut mich natürlich, wenn dann Andere beim Lesen auch Spaß dran haben :-)
alles liebe,
Sabi