es ist wieder der 15. und damit Zeit für den Blogroman.
Im aktuellen Teil geht es sowohl bei Mia, als auch bei Lukas weiter. Ich hoffe, er gefällt euch :-)
Viel Spaß beim lesen!
liebe Grüße,
Sabi
Kapitel 5
Mias
Mutter starrte auf die Zeilen in ihren Händen.
„Hallo
Lilly, es tut mir leid, aber ich muss weg. Ich muss rausfinden, was wirklich
passiert ist. Aber es geht mir gut. Bitte sag das auch meinen Eltern, wenn sie
hier auftauchen. Ich werde mich melden. Alles liebe, Mia.“
Der
Chefarzt hatte Mias Mutter am frühen Morgen angerufen und gesagt, dass sie auf
der Stelle kommen sollten, Mia sei weggelaufen. Das halbe Klinikteam hatte
bereits die Klinik und den dazugehörigen Park abgesucht. Zeitgleich mit den
Eltern, hatten sie auch die Polizei informiert. Jetzt standen sie alle, Mias
Eltern, der Psychologe, zwei Polizeibeamte und Lilly in dem kleinen Zimmer, als
es an der Türe klopfte und eine Schwester in Begleitung einer Frau herein trat.
„Ähm, Entschuldigung, das hier ist Frau Mernes. Sie sagt, sie sei eine Bekannte
von Mia und wolle sie hier besuchen. Alle sechs Anwesenden drehten sich
gleichzeitig zu ihr um. „Ich geh dann besser mal“, sagte die Schwester und war
eine Sekunde später aus dem Türrahmen verschwunden. Mias Mutter musterte die
Frau, die da plötzlich erschienen war. Sie war etwas korpulenter, hatte
dunkelbraune Haare und trug einen eleganten, schwarzen Mantel. Sie schätzte sie
auf Mitte vierzig. Was hatte eine Frau wie sie mit ihrer Tochter zu tun? Einer
der Polizeibeamten trat zwischen die beiden Frauen, die sich gegenseitig
musterten. „Kennen sie diese Frau?“ Fragte er, an Mias Mutter gewandt. „Nein,
ich habe sie noch nie gesehen.“ Sie wandte sich an die Frau. „Woher kennen Sie
meine Tochter?“
Frau Mernes wurde sichtlich nervös. Das war
wohl gründlich danebengegangen. Sie hätte bereits etwas ahnen müssen, als der
Pförtner sie so misstrauisch angeblickt hatte. Jetzt stand sie gleich Mias
Eltern und der Polizei gegenüber und musste sich etwas überlegen. „Wir kennen
uns aus der Bibliothek“, antwortete sie und hoffte, dass es aufrichtig klang. „Und
was haben sie mit Mia zu tun, dass Sie sie sogar hier in der Klinik besuchen?“
Fragte der Polizeibeamte. „Nun ja, wir sehen uns dort eigentlich jede Woche.
Manchmal häufiger und tauschen uns über die Bücher aus, die wir gelesen haben.
Daraus hat sich irgendwann eine Freundschaft entwickelt. Ich war selbst
überrascht, als sie mir geschrieben hat, dass sie hier ist und dass sie sich
über einen Besuch freuen würde.“ Nervös begann sie an dem Schlüssel in ihrer
Jackentasche herumzuspielen. Das machte sie immer, wenn sie nicht weiter
wusste. „Mia hat noch nie von ihnen erzählt,“ sagte Mias Mutter Sie klang
gereizt und machte den Eindruck, als wolle sie gleich auf die fremde Frau los
gehen..
„Lilly“,
begann der Psychologe. „Hat Mia dir schon von ihr erzählt?“
„Nein,
ich glaube nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern.“
„Wer
sind Sie?“ platzte Mias Mutter nun um einiges lauter heraus. Frau Mernes wusste
nicht, was sie tun sollte. „Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Ich kenne
Mia aus der Bibliothek und wir teilen eine gemeinsame Leidenschaft für Bücher.
Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.“ Sie drückte ihre Fingerspitzen nun so
stark gegen den Schlüssel, dass es fast schon wehtat. Nachher würde sie wieder
lauter kleine Dellen in der Haut haben.
„Das
glaube ich Ihnen nicht“, schrie Mias Mutter und stürmte auf Sie zu. Doch da
trat der Polizeibeamte zwischen die Beiden.
„Beruhigen
sie sich“, sagte er, griff Mias Mutter an der Schulter und zwang sie, stehen zu
bleiben. „Hey, jetzt beruhigen sie sich, alles klar? Okay, ich glaube, wir kommen
hier so nicht weiter.“ Der zweite Polizeibeamte ging an ihnen vorbei und auf
Frau Mernes zu. „Kommen sie mit, dann nehme ich Ihre Personalien auf, damit wir
Ihre Aussage später überprüfen können. Wenn es stimmt, was sie sagen, wird das
in der Bibliothek sicher jemand bestätigen können.“ Mit diesen Worten führte er sie aus dem
Zimmer, hinaus auf den Gang und ins Schwesternzimmer, wo er die Türe schloss.
Frau Mernes merkte, dass sich an ihrem Ringfinger langsam eine schmerzhafte
Blase bildete.
***
Es war
früh am Morgen als Lukas sich auf den Weg zum Fachwerkhaus machte. Lange hatte
er überlegt, ob es richtig war dort hin zu gehen. Aber heute früh war er
aufgewacht und hatte gewusst, dass jetzt der richtige Zeitpunkt war. Er hatte
sich angezogen, einen Toast mit einer dieser Nutella-Nachmachen geschmiert,
dazu ein Glas Orangensaft runtergeschüttet und war losgegangen. Jetzt hoffte
er, dass er sich mit dem Überlegen nicht zu lange Zeit gelassen hatte. Immerhin
war es inzwischen zwei Wochen her, dass die seltsame Frau ihm den Brief
überreicht hatte. Lukast hatte seitdem immer wieder nach ihr Ausschau gehalten,
wenn er in der Stadt unterwegs war, aber er hatte sie nie entdecken können. Auf
dem Weg zur Schule hatte er einen Umweg genommen, um nicht an ihrem Haus vorbei
zu laufen. Als er jetzt davor stand, kam ihm das Haus auf einmal seltsam vor.
Es schien nicht hierher zu passen, neben die moderne Bibliothek und das weiße
Einfamilienhaus mit den Glasfronten. Irgendwie wirkte es unheimlich. Lukas war
kurz davor, einfach weiter zu laufen, als seine Neugierde doch siegte. Das
Gartentor knarrte, als er es öffnete. Langsam betrat er das Grundstück und
folgte dem Weg aus einzelnen Natursteinplatten zwischen sorgfältig angelegten
Kräuterbeeten und wild wachsenden Hecken und Bäumen hinauf zur Türe. Im Haus
regte sich nichts. Er ging die drei Stufen hinauf und stand nun etwas
unentschlossen vor der Haustüre. Als er gerade auf die Klingel drücken wollte,
hielt er inne. Was machte er hier eigentlich? Er hatte einen Brief von einer
wild fremden Frau bekommen und stand nun vor ihrer Haustüre, um sich mit ihr
über irgendeine unbekannte Bedrohung zu unterhalten. Zweifel kamen in ihm auf
und er wollte sich gerade umdrehen, als die Türe aufging und das Gesicht der
alten Frau im Türrahmen erschien. Ihre Lippen bewegten sich, aber er war zu
erschrocken, um erkennen zu können, welche Worte sie formten. Etwas hilflos
blickte er sie an.
Als sie
sein Zögern bemerkte, lächelte sie ihm zu, öffnete die Türe ganz und streckte
ihm die Hand entgegen. Dann sagte sie etwas langsamer: „Mein Name ist Liana Weingrün.“ Lukas ergriff ihre Hand. Sie
hatte einen festen Griff, kein Wunder, wenn sie diesen Garten wirklich alleine
pflegte. „Komm doch bitte rein, Lukas“, sagte sie und machte einen Schritt zur
Seite. Immernoch misstrauisch betrat er das Haus. Drinnen stoben ihm Gerüche
von Gewürzen entgegen. Wahrscheinlich von Räucherstäbchen, die sie regelmäßig
abbrannte. Das Haus war erstaunlich hell und modern eingerichtet. Lukas hatte
mit uralten Möbeln aus dunklem Holz, hohen Wandschränken und allerlei
Krimskrams in den Regalen gerechnet. Doch die Wände hier im Flur waren weiß
gestrichen, an der Wand hin ein farbenfrohes Bild einer Sommerwiese und die
Garderobe war in hellem Holz und Silber gehalten. Liana bedeutete ihm, dem Flur
zu folgen und das Zimmer geradeaus zu betreten. Er ging voran, sie folgte ihm.
Durch einen kleinen Torbogen kam er in das Wohnzimmer. Hier standen eine beige
Couch mit einem kleinen Couchtisch davor und eine moderne Schrankwand mit
Flachbildfernseher. An den übrigen Wänden standen viele Regale in
unterschiedlicher Höhe, die alle bis oben hin mit Büchern gefüllt waren. Liana
bedeutete ihm, auf dem Sofa Platz zu nehmen und fragte ihn dann, ob er einen
Tee wolle. Lukas nickte, woraufhin sie verschwand. Auf dem kleinen Tisch vor
der Couch lag ein altes Buch. „Sowas passt hier schon eher rein“, dachte er bei
sich. Der Umschlag war braun und mit ein wenig Gold verziert. Einen Titel gab es nicht. Zumindest
nicht auf der Vorderseite. Den Buchrücken konnte er aus seiner Position nicht
erkennen. Lukas hätte das Buch gerne in die Hand genommen, aber er wollte nicht
den Eindruck erwecken, dass er in ihren Sachen stöberte, also ließ er es
liegen.
Nach
wenigen Minuten kam Liana mit einem Tablett, auf dem eine Teekanne und zwei
Tassen standen, zurück. Sie stellte das Tablett vor ihm auf dem Couchtisch ab
und setzte sich neben ihm auf das Sofa. Dann blickte sie ihn einige Sekunden
an, ohne etwas zu sagen. Gerade als die Situation Lukas unangenehm wurde und er
aufstehen wollte, begann sie zu sprechen. „Schön, dass du da bist. Ich möchte
dir etwas zeigen“, formten ihre Lippen. Sie sprach wieder sehr langsam.
Vermutlich dachte sie nach der Situation an der Türe, dass er sie nur so
verstehen konnte. Dabei konnte er in der Regel flüssig Lippenlesen, solange er
die sprechende Person direkt von vorne betrachten konnte. Liana nahm das Buch
in die Hand, das vorhin schon Lukas Aufmerksamkeit geweckt hatte. Vorsichtig
blätterte sie darin. Jetzt konnte Lukas erkennen, dass das Buch kein gedrucktes
Buch war. Es war handgeschrieben. Manche Seiten waren in einer schön geschwungenen
Schrift beschrieben, mit detailreichen Zeichnungen daneben, andere waren wohl
in großer Eile aufgeschrieben worden, ebenso wie die Skizzen, die daneben zu
sehen waren. Dann hörte sie auf zu blättern. Sie hatte offensichtlich gefunden,
was sie gesucht hatte. Die Doppelseite war in kleiner Schrift eng beschrieben,
dabei gingen die Zeilen von einer Seite auf die andere über. Die Überschrift
entzifferte Lukas als Peisinoen.
Lukas versuchte etwas von dem Text darunter zu lesen, bis er merkte, dass die
geschriebene Sprache anscheinend nicht deutsch war. Sie erinnerte ihn an
Französisch, einige Wörter kamen ihm entfernt bekannt vor. Vielleicht war es
spanisch, oder italienisch. Beides hatte er in der Schule nicht gelernt. Im
unteren Eck der zwei Seiten war eine Zeichnung. Sie zeigte eine Figur, von
vorne und von hinten. Auf der Zeichnung von vorne sah sie beinahe menschlich
aus. Der Körper war zwar ein wenig verzerrt, wirkte irgendwie in die Länge
gezogen, aber ansonsten war es einem Menschen sehr ähnlich. Bis auf die beiden
Balken, die hinter seinem Rücken emporragten. Auf dem zweiten Bild, der Ansicht
von hinten, war von den Balken nichts zu sehen. Stattdessen stand es mit
ausgebreiteten Flügeln da. Fragend blickte Lukas zu Liana auf. Die klappte das
Buch zusammen und legte es wieder auf den Tisch. „Das ist es, worum es geht.“
Lukas verstand kein Wort. Ging es hier um irgendein komisches Fantasy Projekt?
War er in eine Sekte geraten? Oder was wollte die Frau ihm sagen. Suchend
blickte er sich im Raum um, bis er auf einem der Regale einen Zettel und einen
Stift entdeckte. Er stand auf und holte sich beides. Dann kritzelte er ein paar
Worte auf das Blatt. „Worum geht es?“ Liana las den Satz und blickte ihn wieder
an. „Um genau diese Wesen. Sie waren lange verschwunden und sind jetzt wieder
da. Wir brauchen dich für eine bestimmte Aufgabe. Aber ich kann dir erst sagen,
worum es genau geht, wenn du zustimmst, dass du dabei bist.“ Verständnislos
blickte er sie an. Dann schrieb er: „Wie kann ich etwas zustimmen, wenn ich
nicht mal weiß, was ich da zustimme?“ Liana lächelte. „Nun, du bist doch auch
her gekommen, ohne zu wissen, was dich hier erwartet, oder?“ Da hatte sie
natürlich Recht. Aber das war was anderes, da war die Rede noch nicht von
irgendwelchen Fantasiegestalten gewesen. Wieder griff er zu dem Zettel. „Und
was soll das sein, diese Peisi…?“ Als Liana den Satz las, verschwand das
Lächeln augenblicklich wieder aus ihrem Gesicht und machte einer tiefen
Traurigkeit Platz. „Genau das kann ich dir noch nicht sagen. Ich kann dir nur
sagen, dass es sie gibt und dass sie wieder da sind. Sie können große Macht
erlangen, das versuchen wir zu verhindern.“ Ungläubig blickte Lukas sie an.
Fast ohne hin zu sehen, schrieb er die nächsten Worte auf den Zettel. „Und was
soll ich dagegen tun?“ Ihre Antwort überraschte ihn: „Nichts. Du musst nur die
vorbereiten, die etwas dagegen tun sollen.“
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